Cortical.io im Interview

Hallo Francisco, vielen Dank, dass Du Dir die Zeit für ein Interview mit uns nimmst! Bitte stelle uns zu Beginn Dich und Dein Team bei Cortical.io kurz vor:

Wir sind ein in Wien ansässiges Software-Unternehmen, mit Niederlassungen in den USA (New York und San Francisco), das KI-basierte Natural Language Understanding Lösungen entwickelt. Unsere Produkte – Contract Intelligence, Message Intelligence und Semantic Search – basieren auf unserer firmeneigenen Semantic Folding Technologie und sind leistungsfähiger und einfacher zu implementieren als andere Ansätze. Wir ermöglichen es Unternehmen damit, Schlüsselinformationen aus jeder Art von unstrukturiertem Text effektiver zu suchen, zu extrahieren, zu annotieren und zu analysieren. Unsere Lösungen wurden bereits bei zahlreichen Fortune-500-Unternehmen implementiert.

Cortical.io hat als theoretische Forschungsarbeit begonnen, die nach einer alternativen Methode zur Verarbeitung von natürlicher Sprache sucht unter ausschließlicher Bezugnahme auf neurowissenschaftliche Plausibilität – als Gegensatz zum klassischen statistischen Modellieren. Mit der Fertigstellung des theoretischen Konzepts Semantic Folding 2011, konnten wir auf Basis einer FFG-Förderung die Herstellung eines ersten Prototyps durchführen. Bereits nach Projekthalbzeit war ersichtlich, dass der theoretische Ansatz in der Praxis zu besseren Ergebnissen führte, als erwartet.

2013 konnten wir einen Business Angel für die Finanzierung einer ersten produktmäßigen Implementation gewinnen. Das ermöglichte uns in den darauffolgenden 3 Jahren, unsere Technologie mit namhaften Kunden (vor allem in den USA) an echten Use Cases zu erproben und zu beweisen, dass unser Ansatz typische Problemstellungen im Businessumfeld in sehr effizienter Weise löst, und das üblicherweise in Tagen anstatt in Monaten und mit 1-2 Entwicklern anstatt mit einem großen Data Science Team. Die Durchlaufzeit, um ein use-case-spezifisches Modell zu trainieren liegt meist im Bereich von 1-2 Stunden anstatt üblicherweise Tage bzw. Wochen. Zusammen genommen erlaubt diese Beschleunigung wesentlich genauer zu tunen und damit die effektive Präzision fast beliebig zu erhöhen.

Seit 2019 liegt unser Fokus nun auf der gezielten Entwicklung von standardisierten Produkten, die direkt von Businessanwendern eingesetzt werden können, selbst wenn sie über kein spezifisches KI-Know How verfügen.

So haben wir mit Contract Intelligence (COIN), zum Beispiel, ein Produkt entwickelt, welches den Vertragsverarbeitungs- und -überprüfungsprozess von Unternehmen beschleunigt; Message Inteligence (MINT) ermöglicht Firmen, große Nachrichtenmengen (also E-Mails, Social Media Feeds usw.) automatisch und in Echtzeit zu filtern, zu klassifizieren und weiterzuleiteten; und unsere Semantic Search Lösungen unterstützen Unternehmen in den unterschiedlichsten Anwendungsbereichen – immer dort, wo man mit einer traditionellen Schlagwortsuche schnell an Grenzen stösst.

Abb. Cortical.io Contract Intelligence Prozessübersicht

Welches Problem wollt Ihr mit Cortical.io lösen ?

Ziel ist es, Bedeutungsinhalte von Text rechenbar und damit programmatisch computerisierbar zu machen. Dies ermöglicht beliebige Businessprozesse, die vom Lesen / Verstehen / Reagieren eines Menschen abhängen, zu automatisieren oder in ihrer Effizienz zu steigern. 

Die dafür notwendigen technischen Maßnahmen, wie das Trainieren des domänenspezifischen Sprachraumes, das Erfassen des bestehenden Wissens für den betreffenden Businessprozess, können ohne jegliche Unterstützung on KI-Experten durch den Businessanwender selbst durchgeführt werden.

Wie ist die Idee zu Semantic Folding entstanden ?

Das Konzept Semantic Folding ist nach dem jahrelangen Versuch, unstrukturierten Text computer-unterstützt mittels statistischer Methoden zu verwerten, entstanden. Schon Mitte der 2000er Jahre, stieß ich zum ersten Mal auf die Arbeit des Neurowissenschafter Jeff Hawkins, welcher das menschliche Gehirn erforscht, um zu verstehen, wie dort Informationsverarbeitung funktioniert. Nun ist Sprache selbst ein Produkt des Gehirns, woraus ich den Rückschluss gezogen habe, dass alles was Jeff über Information und ihre Verarbeitung im Gehirn sagt, auch für Sprache zutreffen muss. Zu den erstaunlichsten Entdeckungen seiner Theorie gehören Aussagen wie jegliche Information, egal ob vom Auge, dem Ohr oder dem Geschmack, wird im Gehirn auf dieselbe Art und Weise dargestellt und verarbeitet. So sehen wir nicht nur Bilder, sondern wir sehen auch Töne, Gerüche, unsere eigene Körperhaltung und daher auch Worte.

Semantic Folding ist eine Machine-Learning-Methode, die beliebigen Text in valide “Wortbilder“ umwandelt. Erstaunlicherweise führt die Umwandlung eines Wortes in einen Semantischen Fingerprint (Wortbild) zu einer dramatischen Vereinfachung der Verarbeitung von Text, die nun mittels binärer Operatoren (UND, ODER, NOT etc.) erfolgen kann.

Abb. Semantischer Fingerprint von „Apple“

Wie würdest Du Deiner Großmutter Cortical.io erklären ?

Omi, das verstehst Du nicht! Nein, das war natürlich nur ein Scherz.

Wir entwickeln ein Computerprogramm, das in der Lage ist, geschriebenen Text zu lesen und zu verstehen. Außerdem versteht das Programm auch, wie der Mensch, der bisher diese Information verarbeitet, entscheiden würde. Daher kann ein Computer, der dieses Programm verwendet, notwendige Entscheidungen, die zuvor ein Mensch getroffen hat, selbständig in dessen Sinne zu treffen, nur sehr viel schneller, rund um die Uhr, in beliebigen Sprachen, 100% objektiv und für unendlich große Datenmengen.

Hat sich Euer Konzept seit dem Start irgendwie verändert ?

Unsere Technologie hat sich natürlich enorm weiterentwickelt. Nach einer Phase, in der wir mit Individualprojekten Erfahrungen mit Use Cases aus der echten Welt gesammelt haben, hat sich unser Fokus seither auf die Implementierung von Produktlinien gerichtet, die universell in unterschiedlichsten Geschäftsfeldern einsetzbar sind.

Wie funktioniert Euer Geschäftsmodell ?

Wir nutzen das klassische Enterprise Software Lizenzierungsmodell, das auf jährlichen Subskriptionen aufbaut.

Wie genau hat sich Cortical.io seit der Gründung entwickelt ?

Trotz Standort in Wien, hatten wir unsere ersten großen Kundenerfolge überraschenderweise in den USA, welche bis heute unser Kernmarkt geblieben sind. Das hat wiederum zur Gründung einer US-Niederlassung mit Büros in New York und San Francisco geführt, da wir zeitlich und örtlich näher bei unseren Kunden sein wollten. Inzwischen sind wir in Europa aber auch sehr aktiv, was daran liegt, dass die europäischen Unternehmen langsam aber doch aus ihrem Digitalisierungs-Dornröschen-Schlaf erwachen.

Wir konnten sowohl Business als auch strategische Partner gewinnen und arbeiten gemeinsam daran, die Technologie zu einem Standard der Language Intelligence zu etablieren.

Wie groß ist Euer Startup inzwischen ?

Wir sind inzwischen 30-Mann/Frau stark. Unsere Technologie hat in den vergangenen Jahren in Form von Individuallösungen bereits mehrere Millionen an Umsatz gemacht. Seit 2019 haben wir in einen Pivot investiert, der uns von einem serviceorientierten zu einem produktorientierten Unternehmen transformiert hat.

Inzwischen konzentriert sich unser Marketing und Vertrieb darauf, diese Produkte in den verschiedensten Kontexten anzubieten.

Aktuell zeichnet sich in den USA ein von Covid-19 induzierter Generationenwechsel bei den digitalen Business Systemen ab, was sich bei uns durch eine erhöhte Nachfrage bemerkbar macht. Wir hoffen, dass auch die europäischen Unternehmen dieser Strategie bald folgen werden.

Blicke bitte einmal zurück: Was ist in den vergangenen Jahren so richtig schief gegangen ?

Wir mussten leider immer wieder die bittere Erfahrung machen, dass große Unternehmen trotz erfolgreicher Proof-of-Concept Projekte, oftmals das vermeintliche Risiko mit einem Startup zu kooperieren scheuen und sich stattdessen für etablierte Anbieter entscheiden selbst bei schlechteren Ergebnissen.

Hinzu kam noch die Erkenntnis, dass sogar bei bestehenden Lizenzkunden und bei erfolgreichen Umsetzungen, unternehmensinterne Umstrukturierungen zu Ausfällen führen können. Große Anbieter können hier durch entsprechend breitbandige After-Sales-Maßnahmen Linderung schaffen.

Kurz gesagt, das größte Wachstumshindernis für uns ist die Tatsache, dass wir ein kleines, österreichisches Unternehmen sind.

Was habt Ihr daraus gelernt ?

Dass man als europäisches High-Tech-Unternehmen einen langen Atem braucht.

Und wo habt Ihr bisher alles richtig gemacht ?

Dass wir unsere Technologie anhand von echten Business Problemen entwickelt haben und unsere Produkte daher sehr marktgerecht gestaltet, d.h. von Fachexperten ohne KI-Vorkenntnisse einsetzbar sind.

Wie ist Euer Startup finanziert ?

Neben unserem treuen Business Angel, haben wir mit Xilinx, einem der führenden Chip-Hersteller in Silicon Valley, einen strategischen Investor mit an Bord geholt. Xilinx ist bei uns eingestiegen, weil sie erkannt haben, dass Semantic Folding eine Form von AI/ML darstellt, die sich ausgesprochen effizient auf ihrer Chip-Architektur implementieren lässt. Somit kann die Cortical.io Engine, welche schon als Software um eine Größenordnung schneller als herkömmliche Language AI Methoden ist, um weitere 2-3 Größenordnungen beschleunigt werden.

Was sind Eure Pläne und Ziele für die nächsten 12 Monate?

Unsere 3 Produktlinien – Contract Intelligence, Message Intelligence und Semantic Search – unter dem Label High Efficiency AI im Markt zu verankern und die Semantic Supercomputing Plattform als Standardkomponente für Business AI zu etablieren.

Vielen Dank für das Interview.

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