
Hallo Raphael, vielen Dank, dass Du Dir die Zeit für ein Interview mit uns nimmst! Bitte stelle uns zu Beginn Dich und Dein Team bei Safing kurz vor:
Hallo, ja gerne! Wir sind 7 Privatsphäre Enthusiasten mit dem Ziel, es jedem zu ermöglichen online wieder genauso privat zu sein wie offline. Wir sind drei Gründer, der Daniel unser CTO, David unser CMO und ich, Raphael, der CEO. Dann haben wir noch Alexander und Patrick als Developer, Luke als Designer und Tabitha im Back Office.
Vielleicht möchtest Du uns Euer Startup, ganz zu Beginn unseres Interviews, kurz vorstellen ?
Wir entwickeln Software, die die Privatsphäre der Nutzer schützt. Die Basis ist der Portmaster. Er ist im Kern eine Application Firewall, die Internetverbindungen auf der Ebene des Betriebssystems untersucht. Der Portmaster erstellt Verhaltensprofile von allen Anwendungen und blockiert alle Verbindungen, die unerlaubt Daten an Dritte übermitteln. Unser zweites Produkt, das Safing Privacy Network (kurz SPN) ist ein virtuelles Netzwerk, das jede Verbindung neu routet und mehrfach verschlüsselt. So können Drittpersonen nicht mehr identifizieren, wer man ist und somit sind die persönlichen Daten geschützt.

Welches Problem wollt Ihr mit Safing lösen ?
Unser digitales Leben ist heute unter ständiger Überwachung. Wenn mit uns offline so umgegangen werden würde wie online, dann würde jeder sagen, dass das zu weit geht. Online werden wir verfolgt, ausgehorcht und bevormundet. Ein Besuch bei einem Onlineshop fängt damit an, dass abgegriffen wird, wer ich bin und woher ich komme. Dann wird gegen Datenbanken geprüft was meine aktuelle Kaufkraft ist und Preise werden adaptiert. Während ich browse, werden alle Kaufüberlegungen aufgezeichnet und gespeichert. Wenn ich bei meinem lokalen Supermarkt schon beim Hereingehen gefragt werde, wer ich bin und dann durch das Geschäft verfolgt werden würde, kann ich mir nicht vorstellen, dass jemand da wieder hingehen würde. Unser Ziel ist es das „Window Shopping“ online zu ermöglichen.
Wie ist die Idee zu Safing entstanden ?
2013 als die Geschichte mit Snowden herauskam, war Daniel gerade in einem Projekt, das schon Ansätze in die Richtung hatte, in die Safing heute geht. Damals hat er verstanden, dass online Privatsphäre keine Selbstverständlichkeit mehr ist. Die alten Tage von „online weiß keiner, dass du ein Hund bist“ (1993) sind schon lange vorbei. Und diese Privatsphäre ist für einen Ottonormalverbraucher nicht wieder herstellbar. Das wollte Daniel ändern und hat dann mit Raphael und David Safing gegründet. Im Kern geht es bei Safing immer darum, maximale Privatsphäre einfach zu ermöglichen.
Wie würdest Du Deiner Großmutter Safing erklären ?
Eine Software, die es dir ermöglicht auf Amazon genauso privat zu sein wie im Billa.
Hat sich Euer Konzept seit dem Start irgendwie verändert ?
Ja, aber gar nicht zu viel. Wir hatten anfangs ein Produkt in Planung, den Portmaster, auch wenn er da noch nicht so geheißen hat. Dann ist unser SPN schnell dazugekommen. Und weil zwei Produkte nicht genug waren haben wir Stamp als drittes Produkt gemeint zu brauchen. Das war dann doch etwas kompliziert zu erklären, warum und wofür was gut ist. Heute sind wir da etwas „schlanker“, der Portmaster ist das Hauptprodukt und das SPN ist ein Upgrade. Stamp wollen wir noch immer machen, aber es ist im Moment auf Eis.
Wie funktioniert Euer Geschäftsmodell ?
Freemium. Der Portmaster ist kostenlos, er schützt die Daten auf dem PC, und das SPN ist dann ein Service, der monatlich zu bezahlen ist. Das SPN schützt dann die Daten, die im Internet sind.
Wie genau hat sich Safing seit der Gründung entwickelt ?
Angefangen haben wir klar als „Garagenprojekt“ im Jänner 2017 (auch wenn es in unserem Fall keine Garage war). In diesem Stadium waren wir auch volle 2 Jahre, wir haben dann angefangen Unterstützung von Alexander zu bekommen noch bevor wir in unser erstes Büro gezogen sind. Zu der Zeit waren wir auch noch sehr viel mehr demokratisch und jeder hat mehr oder weniger an dem gearbeitet was er gerade für richtig gehalten hat. Ende 2018 waren wir dann alle schon seit einem Jahr Vollzeit in Safing, und wir haben angefangen eine formellere Struktur zu etablieren. Zu der Zeit hat sich schon abgezeichnet, dass ich den CEO machen werde, Daniel den CTO und David CMO.
Wir sind in ein Büro gezogen, das wir bewusst schon größer dimensioniert haben, um neue Leute anstellen zu können. Der Nächste große Entwicklungsschub kam dann nachdem wir eine FFG Förderung September 2019 bekommen haben und damit das Geld hatten neue Leute anzustellen.
Wir sind seitdem um drei Personen mehr und haben weiter in unserer Struktur arbeiten müssen. Die Tage, bevor wir in das Büro gezogen sind, sind für uns schon alte Vergangenheit.
Wie groß ist Euer Startup inzwischen ?
Wir sind zu siebent. Umsätze fangen wir gerade an zu machen, das SPN ist schon in den Startlöchern und kommt bald für eine größere Zahl an Nutzern raus. Es gibt schon eine Waitlist, die sich stetig weiter füllt.
Blicke bitte einmal zurück: Was ist in den vergangenen Jahren so richtig schief gegangen ?
So viel. Ich verstehe immer besser, weshalb man sagt, dass Zweitgründer eine höhere Erfolgschance haben!
Es wird einem immer wieder gepredigt,
- Fokussiere, mache nicht zu viele Sachen gleichzeitig.
- Release early and often
- Customer centric, nicht alles selbst vorbauen in der Hoffnung, dass es dann schon passt
Alles Sachen die wir gehört und gut gefunden haben, aber die erst eingeübt werden mussten, bevor sie wirklich saßen.
Was habt Ihr daraus gelernt ?
Auch mal langsamer werden, nicht einfach weiter hakeln und mal nachdenken, ob die bereits gelernten Dinge auch zum Einsatz kommen.
Und wo habt Ihr bisher alles richtig gemacht ?
Wir haben tolle Mitarbeiter! Das war ein Glücksgriff nach dem anderen. Ich kann nicht sagen, dass wir da alles richtig gemacht haben, aber das Ergebnis wirkt richtig. Auch ist ein riesen Ding, das wir kein VC (Venture Capital) Geld haben. Wir gehören 100% uns, und können damit auch unseren Kunden gegenüber sehr viel authentischer auftreten.
Wie ist Euer Startup finanziert ?
Bisher durch Förderungen; Wir haben zweimal eine von der Netidee bekommen, sind Teil der Business Incubation der ESA (Europäische Raumfahrtgesellschaft) und haben letztes Jahr eine FFG Basisprogrammförderung bekommen. Und sehr viel bootstrapping. Alle Gründer haben sich bis 2020 selbst finanziert und beziehen bis heute noch kein volles Gehalt.
Was sind Eure Pläne und Ziele für die nächsten 12 Monate?
Grow grow grow, unser Produkt kommt auf den Markt, und wir wollen Mitte nächsten Jahres bereits 2000 Kunden haben. Auch sind wir noch lange nicht fertig mit unserer Forschung und Entwicklung. Wir werden vielleicht auch das Team weiterwachsen lassen.
Vielen Dank für das Interview.